9:30 Das Übliche: Uploads, Fotobearbeitung, Mails, Telefon
11:30 Hörstation Stadtbibliothek: Kopfhörer nachgereicht.
Auf dem Weg zur LGS, Höhe Moltkestraße, die Prärieblumenbepflanzung der Verkehrsinseln: Verbascum, Gaura, Achillea, Lychnis ‘Alba’. Weiß und Gelb.
12:30 Ankunft Sendestation. Die gemähte Wiese hinter dem Caravan ist mit kleinen Heuhaufen bedeckt. Die Gärtner sind dabei, es mit Gabeln auf die Rückfläche in einen kleinen Transporter zu häufen. Gespräch mit Gärtnern. Herr Hüssein plus ein zweiter Mitarbeiter, den ich auch schon kenne. Plus Herrn Mondher aus Tunesien – „Das ist einzige Arbeit, die es in Deutschland gibt“ – und Herr Danial aus Italien.
Mails, Uploads, Fototransfers.
14:00 Rundgang LGS. Die Allendorfer Blaskapelle spielt.
Auf dem Plan immer noch die Gartendekostände und ihre Kunden. Wer kauft so was und warum? Kauf einer Profigartenschere beim Fachmann. Nur spärliches Gewusel um den Stand mit hand(?)getöpferten Gartendekorationen: Bunt glasierte Raben, Karotten mit Gesichtern, Katzenfiguren zwischen Garfield und Tigerente, Gänsehälse (mit Kopf), die man in Büsche stecken kann, Fische, mit aufgesteckten bunten Kugeln versehende Staudenstützen… Ich stelle mich neben die wildgelockte, resolute Verkäuferin. Das Mikrofon ist an, verschwindet aber zwischen dem Krimskrams auf dem Tisch. Die Dame legt überhaupt keinen Wert darauf, dass irgendwas aufgenommen oder gar ein Bild von ihr gemacht wird. Zur Fehlorganisation der Gartenschau hat sie aber viel zu sagen. Dies betrifft im wesentlichen Essens- und Eintrittspreise, fehlende Informationen über zu erwartende Busgäste und die Müllentsorgung.
Danach Gespräch mit zwei Frauen um Mitte 50 aus dem Dorf Buchenhagen im Kreis Korbach/Hessen. Wir kommen vom Sinn und Zweck der Gartendekoration „Es muss schon passen, also so ganz kitschig darf es für mich nicht sein“, zum aktuellen Betätigungsfeld des Landfrauenvereins, in dem die beiden organisiert sind. Ich erfahre nahezu alles.
16:36 Nächster Punkt auf dem ethnografischen Planzettel sind nach wie vor die Architekturen der LGS und: Was sagen die Leute zum zweiten, auf der LGS installierten Kunstwerk, dem Biozön-Gewächshaus?
Fotos Steinteichlandschaft mit balancierenden Kindern, Foto Gartenpavillion mit angemalten grünen aber toten Baumstämmen, Foto Verbascum II vor einer schachtelartigen modernen Architektur. Das Hinweisschild fordert die Besucher auf, ihre persönlichen Vorstellungen von „Paradies“ mit Kreide auf die schwarzen Wände des Inneren zu skizzieren. Drinnen finde ich Kommentare im Stil von Toilettengraffiti, vielleicht etwas kindischer: „Mina hat Käsefüße“, „Gießen ist asozial“. Neben der Zeichnung einer Sonne mit Wolke und Schmetterling steht das Wort „Teppichrasen“. In ein Yin&Yang-Zeichen ist ein Haus gemalt. Eine junge Person namens „Nigg“ hat (s)einen Link auf soundcloud angegeben. Allgemein scheint der Paradies-Block vornehmlich von Schulklassen genutzt zu werden.
Gang über die Brücke bei den Wasserdampf sprühenden roten Kugeln im Wasser. The perfect picture: Ein Junge auf den Sportgeräten davor, die die Nebel in Gang setzen.
Das Biozön. Interview zwei Personen, beide mit langen grauen Haaren, es wird intensiv durch die Glaswand geschaut und fotografiert. Auf Nachfrage sind sie nicht nur sehr freundlich sondern auch: Begeistert vom Werk. Kleines Interview mit Connie und Detlef, die aus dem Ruhrpott kommen und selbst als Künstler in einem ähnlichen Feld tätig sind. Sie erzählen auch von ihren persönlichen Erfahrungen mit dem „amtlichen Vandalismus“ der bei ihnen „innerer Vandalismus“ heißt. Im Zusammenhang mit einer Arbeit der Beiden, die sich mit Neophyten, also eingewanderten Pflanzen, auseinandersetzt, wurde eine Herkulesstaude von Amts wegen brutal geköpft… vor der Blütenbildung bereits.
Zweites Interview/Gespräch mit einem Mathematiker-Ehepaar aus dem Vorort Allendorf/Gießen. Über Kunst und anderes. Herr Weiss stellt sich als ambitionierter Holzschnitzer und –Drechsler heraus, zieht sein Iphone und wir betrachten seine Arbeiten. Beide kennen Gießen noch aus der frühen Nachkriegszeit und sind über die Verwandlung der Wieseckaue mehr als erfreut.
Fortsetzung Rundgang. Grünes Klassenzimmer. Ein drittes Verbascum windet sich schlangengleich durch einen aus gezimmerten Bleistiften gestalteten Gartenzaun. Fotos Architektur, Foto extrem tristgrün gestrichene Riesenblumentöpfe vor dem entsprechenden Eingang zur LGS.
Der Weg zurück zur Hauptanlage führt entlang von Stellzäunen, die mit Werbeplanen verhangen sind. Gesichter von Kindern, hübschen Frauen, glücklichen jungen Männern. Firma nenne ich hier nicht. Hinter den Gittern die „anderen“ Spaziergänger. Man sieht die Beine, Schuhwerk, die Räder der Bikes, hört die Stimmen. Bei einer gesperrten Zufahrt neben dem Waldbrunneneingang Kreideschrift außerhalb auf dem Boden: „Wir sind das Volk“.
19:08 Rückkehr Caravan. Zusammenpacken. Der Ventilator muss auch wieder mit. Telefoniere wegen Auto. Mir fällt ein, dass ich noch einmal nach dem Bilsenkraut schauen muss. Stimmt das mit den regelmäßigen Pflanzabständen? Ich gehe den fein geschotterten Wegrand ab: Es stimmt. Etwa alle 1,50 bis zwei Meter zum Teil sogar auf beiden Seiten des Wegs eine abgemähte Pflanze. Foto. Fürs Herbarium finde ich keine intakte Pflanze mehr. Ich ziehe probeweise an einer der Stauden. Der Boden gibt nach und, hm, ich halte meine einziges Diebsgut der LGS in der Hand, ein „Hexenkraut“. Letztes Foto vom Studio, die Ethnografin lässt ihren Hut da.
20:00 Abschied vom Wachpersonal Quellgarten. In der Gutfleischstraße muss ich das Rad bremsen. Ein unbedingt schamanistischer Kunstleitpfosten aus Holz- und Wurzelwerk. Foto. Der Wachmann überholt mich in der Straße und meint, ich sei ja noch nicht weit gekommen. Weiteres Foto anderer Pfosten „Relevanz für Akzeptanz“ – Gießener Reime. Das Must auf dem Rückweg, obwohl beim Gastgeber die Pizza wartet: „die Woscht-Anna“. Der Imbissstand ist eine Institution in Gießen seit 1954, die Wurst hervorragend, meine Entschuldigung für den Nicht-Wurst-Kauf ziemlich blöd, aber nun. Vor mir wird noch bestellt. Kamera leider auch tot. Junger Muskelmann mit Asia-Freundin in Shorts und Haaren bis zum Po. Irgendwas hat nicht gestimmt mit der Bestellung, was es bei Anna-Woscht gar nicht geben kann, also wird eine andere, neue Woscht angeboten. Der Muskeljüngling, kurzgeschorenes Haar, Senf noch am Mundwinkel, betont dass „alles voll in Ordnung, und, wir komme ja direkt aus Frankfurt, jedes Mal un’ …– wie ?– jedes Mal, jetz auch aus Frankfurt, jede Tag? – Nee, meine Freundin is hier in Giessen, also immer wenn ich sie besuch, geh ich hier her.“
Der Anna-Woscht-Stand an einem anderen Abend im Vorbeiradeln.
22 Uhr Pizzaessen mit Gastgeber und seinen Arbeitskollegen. Einer von ihnen weiß alles über Anna und ihr’ Woscht,, die Person und ihren Namen, die Geschichte, die Wurstzulieferer, wann wo welcher Imbiss, wer mitarbeitet und wer dort isst (jeder). Die Anna-Worscht in Gießen fordert eine In-depth-Studie geradezu heraus und bekommt deshalb an anderer Stelle einen Exkurs. Das Mikrofon liegt zwar in der Ecke, aber ist eingeschaltet.
Bis 1:00 Uhr, 15. Juni: Bildbearbeitung und Sortieren des Tagesmaterials.
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