Plots & Prophecies | Parzellenprognosen
Text: Gabi Schaffner
Wenn wir den Kopf in den Nacken legen, um den Himmel zu betrachten, tun wir dies verschiedener Gründe wegen. Sterne zählen, das Blau durchdringen, den Wolken entgegen träumen. Gärtner und Gärtnerinnen hingegen schauen gern nach dem Wetter. In den Aktionen und Passionen der Wetterprognosen schwingt zugleich der Traum einer verlässlich vorhersagbaren Zukunft mit. Warum auch nicht: Die Welt besteht aus Schwingungen. Und also auch aus Radio…
Unter dem Motto „Plots & Prophecies – Parzellenprognosen“ sendete Datscha Radio vom 25. – 29. August 2017 24 Stunden täglich direkt aus einem Berliner Schrebergarten in die Welt. Der Prozess des Radiomachens – sonst eher eine verborgene Angelegenheit – wurde im Wintergarten der Datscha im wahrsten Sinn des Wortes transparent und lud zur Teilnahme ein. Kreativ, interdisziplinär und offen für alle verwandelte Datscha Radio17 die Privatesse des Schrebergartens in einen öffentlichen Kunst- und Kommunikationsort. Entsprechend der Dauer des Festivals konzentrierte sich der Blick der Radiomacherinnen, Künstler*innen und Gäste auf fünf Themenbereiche:
Der Garten als ein Hort politischer und territorialer Beziehungen war Kernpunkt des Eröffnungstags. Die Historie der Gartenkultur(en) und ihre Verknüpfung mit Metaphern der Macht und des Körpers wurden im Datscha-Garten von der ersten Minute an neu aufgelegt – mit dem Chor der “Hidden Stories Singers”.
Die „Neuen Symbiosen“ des zweiten Tags widmeten sich neben aktuellen Fragen zu nachhaltiger Lebensmittelproduktion und ökologischer Start-ups selbstverständlich auch der Gartenküche… und deren zwittriger Verbindung zu Konzert und Performance.
Wie werden unsere Lebenswelten in der vollendeten Zukunft aussehen? „Biotop in Futur II“ kombinierte Wissenschaft, Performance und Kunst zu einem „radio-aktiven“ Kaleidoskop, das lang nach Sonnenuntergang noch letzte sanfte Farben sprühte.
Den vierten Tag widmeten Künstler*innen, Gäste und das Datscha-Team den „Bienen und Vögeln“, – angefangen mit den aktuellen Entwicklungen urbanen Gärtnerns in Berlin über Kuckuck-Insiderwissen bis hin zu Live-Musik für das ansässige Schneckenvolk.
Der letzte Tag des Festivals blieb der dunklen Materie vorbehalten: Dem Boden, der Entschleunigung, dem Eintauchen ins Unbekannte und somit auch dem imaginären Garten.
So wie sich Radiowellen nach allen Seiten zugleich ausbreiten, war auch das Spektrum von Datscha Radio17 ein über konventionelle Formate und Formen hinaus Schwingendes. Mehr als 40 internationale Klanggärtner*innen und Radiomacher*Innen beteiligten sich über unseren Open Call am Programm und der „International Garden Radio Listening Club“ lud die Zuhörer*innen weltweit zum parallelen Lauschen und Feiern ein.
Also wuchsen die Radio-Tage aus sich heraus; es gab Parallelen, Spiegelungen, Fortsetzungen, Unvorhergesehenes, Konstanten und Mysterien. Der neuseeländische Künstler Hans Kellet etwa, der als Gartenpoet in den umliegenden Gärten konstant Gespräche führte, die er anschließend in Gedichte verwandelte. Als echtes Mysterium mag hingegen die dreitägliche Übertragung der „Greenhouse Emissions“ gelten, einer erstmals von Ryan McFadyen und Kate Donovan vorgestellten Pflanzensprachübersetzungsmaschine.
Während unserer Arbeit im Treibhaus der Pläne und Prognosen verwandelte sich die „Techné“ des Radios zusehends in organische Kommunikation. Die Zukunft, liegt sie nicht eher in den Schwingungen des Jetzt und seiner Materialitäten? Im Durchstreifen des (Radio)Gartens begannen sich Tag für Tag neue Blickwinkel zu erschließen. Selten erlaubten sie den Blick auf „das Ganze“, vielmehr führten sie auf ausgesuchte Wege und Pfade… wie nicht zuletzt auch diese Publikation.
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