Protokoll 4/6/14 16:51
Wetter: bedeckt, regnerisch. ca . 21 Grad. 8:30
Gespräch mit Nachbarin im Hof über ihren Topfgarten geführt. Ein Baum (ungenannter Art) musste wegen Sanierungsarbeiten weichen. Nicht die Kastanie, die wächst in ihrem Ölfass nur langsam… und führt eine Art Bonsai-Dasein. Andere Pflanzen, das Salomonssiegel und die Hortensie etwa, bewohnen ihren Terrakottatopf seit bereits 20 Jahren.
Seit ich hier öfters Gast bin, habe ich nie jemand anderen auf dem Bänkchen im Hof sitzen sehen. Die Nachbarin sagt: “Nee, dachte ich auch, dass ich mal hier runterkomme, aber ich hab oben die Dachwohnung und das ganze Zeug (ich frage mich was für Zeug, denn die Bank steht ja hier) runtertragen, ist mir zuviel. Gießen tue ich, aber robust müssen die Pflanzen schon sein… wie die alle genau heißen, na, so genau weiß ich’s auch nicht.”
Caravan aufgeschlossen. Verbindung zum Internet hergestellt. Inspektion der Pflanzen. Überwucherung der Kulturpflanzen: Keine Zuccini, keine der Ipomoea hat überlebt. Die Clematis dagegen: Bester Laune. Auch die Minze hat sich gehalten, kommt aber nur schwer gegen die Gräser der Wiese an.
Der Stream läuft: singende Sägen und Rasenmäher und Soundscapes…
Stimmung der Ethnografin: Leicht melancholisch. Draußen laufen Rentner mit Regenschirmen vorbei. Das Stück verwilderte Wiese, auf dem der Caravan steht scheint die Besucher einzuschüchtern, sie sehen fern.
Bizarr: Die gefranste Tulpe hat sich – getrocknet – in ein stachlig-fragiles Objekt verwandelt, das wie ein Tiefseetier anmutet. Das Blatt der Gunnera: gelblich und hellgrün, pergamentartig und seltsam ratlos wellt es sich auf dem Millimeterpapier.
Die Wiese steht kniehoch. Ringeltauben. Keine Nachtigall, aber Trupps von Schirmen. Die blaue Blume des Sonnenschirms hängt faltig im Juniregen. Die Birke weht. Der Regen wird stärker. 16:50
17:06 Die Nachtigall!
18:56 Gang über das Gelände. Die Rabatten haben sich verändert. Nun Spinnenblumen (… die EInjahresmodeblume seit drei Jahren), Schleifenblumen, Cosmea und eine immerhin interessante Art von Ziertabak, „Lemontree“. Die Glocken läuten. Ein eher missglücktes Interview in der Floristenhalle. Misstrauisches Mittelalter, toupiert mit Haarspray, ein unwahrscheinliches Kastanienbraun. Blick auf den Mikrofonpuschel gerichtet werden keine Auskünfte gegeben. Stetiges Nieseln. Im Radio Fibonacci.
Einen Rasenmähermann mit seinem Kollegen verfolgt. Nach 300 Metern eingeholt. Ein jüngerer und ein älterer Türke, Freischneiden der Bachböschung, kleines Gespräch. Mal sehen, was brauchbar ist. Herr Hüssein findet mich „schöne Frau“ und raucht Marlboro. Ist seit 30 Jahren Gärtner, aber einen Garten daheim in Frankfurt hat er nicht. Die Maschinen gefallen ihm. Er hat schon alles gefahren, Traktoren, Bagger, Autos natürlich auch, Rasenmäher… Wenn ich Fragen habe, kann ich mich jederzeit an ihn wenden.
„Anatoli“ von der LGS-Wachgesellschaft hat weniger Spaß an seinem Job, aber er ist sehr gelassen: von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. Keine Pause. Ein 1mal1meter Kabuff an einem hinteren Nebenausgang. Ein Buch, ein Telefon, eine Tüte mit Essen. Er kommt ursprünglich aus Sibirien, bei Tomsk. In Russland war er Polizist. Er ist seit 10 Tagen auf dem Job und bleibt bis Ende der Gartenschau. Nach Deutschland ist er seiner Frau wegen gekommen. Fotografiert werden möchte er erst mal nicht.
19:11 Der Audiowalk mit den gärtnerpflichten läuft. Etwas an den Kabeln der Lautsprecher muss gefixt werden… ein zirpender Misston zieht mich an den Ohren… Virpi Nurmi erklärt ihren Garten. Ein Loop von Gehörten und Gedoppelten, eine unaufhörliche Schichtung von Gedächtnis, Aufnahme, Realtime und Kuckucksrufen.
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