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Protokoll 11/6/2014 Leute, Pläne, Hochwasser

Protokoll 11_6_2014

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7:47 Geweckt durch schwere Gewitter. Der Regen rauscht, eine Umkehrung von Duschvorhang.

10:30 Gespräch mit Herrn Goos wegen der Pflanzdemolierung am Caravan. Ersatz ist versprochen & muss dann realisiert werden. Wir bekommen ein neues Set Schlingpflanzen… evt. Ein paar Gräser…

Mails, Uploads, Fotobearbeitung. Warten auf wetransfer. Schnitt von Garteninterview mit Ehepaar Potempa. Frau Hammel vom Kassenhaus muss noch mal gefragt werden…

12:00 Warten auf wetransfer. Plan heute: Dekorationsstände auf LGS. Schaffe es nicht in die Literatur reinzulesen. Dickes Buch zum Pflanzenpressen mitgenommen. Der gelbe Ziertabak muss da rein… und einiges andere.

In Bäcker-Interview vom Kahlgrund/Spessart reingehört. Mächtiger Ortsstolz, auch schon bei der Handkäs-Dame. „Heimat“ ein wichtiges Wort hier… vielleicht auch anderswo.

Foto vom Kassenwärter I fehlt noch, der sitzt nun wohl an der Hauptkasse: Dort vorbeifahren (und anhalten). Auf dem Rechner explodieren die Dateien, wie üblich. Ein diszipliniertes Ordnungssystem fehlt.

Fichte kurz gelesen: Scharfumrissene Momente. Meint man nur, dass da mehr passiert, weil es fremder ist/in Brasilien spielt? Auf der LGS gibt es keine Transvestiten in den Büschen – nicht soweit ich beobachten könnte. Nicht mal heimlich pinkelnde Rentner. Oder ist es der Stil? Oder ist es die himmelschreiende Armut, die jede Beschreibung, jeden Dialog wie mageres Stroh durchlagert – und hier – in Hessen, Gießen, LGS, der dicke, träge, satte Lehm des mitteldeutschen Wohlstands.

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Frau H. vom Kassenhaus dagegen sagte: „Nee, ich seh nur das, was ich auf meinem Arbeitsweg von einem Eingang zum anderen seh. Wenn ich hier privat rein will, muss ich zahlen wie andere Besucher und 15 Euro sind ja nich wenig. Und nach der Arbeit… da will ich dann nach Hause.“

13:00 Auf dem Weg ein vom Sturm umgewehter Kunstleitpfosten. Im Studio. Schwätzchen mit neuem Security-Mann am Tor. Wer nicht professionell aus dem Überwachungssektor kommt, ist doch stets dankbar für eine kleine Unterhaltung. Immer wieder Fragen nach der Frequenz von Datscharadio.

13:50 Stream läuft wieder… die Nachtigall. Dachte schon, die kommt von draußen. Akustischer Fake.

Plan: Neuer Pflanzplan für Caravan… uh. Dann Dekostände, dann Editieren von Files, Fotobearbeitung, Text. Pflanzensammeln.

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14:25 Zwei Studenten des Instituts für angewandte Theaterwissenschaften auf dem Bänkchen zu Besuch. Interview. Mitte Zwanzig, die ersten Studenten zu Gast. Thea und Georg sind auf Mission, der geheime Limonadenbaum muss gepflanzt werden. Weitere Ziele der beiden: Golfspielen, Till Schweiger auf der LGS sehen und billigen Sekt trinken. Wir sprechen über Punk, DIY, Gräber, Gold, Guerilla-Performances, Rituale, Schrebergarten-Enteignungen, Stadtpolitik und noch 50 Sachen mehr. Scharfsinn und Albernheit halten sich die Waage. Inhalte werden aus dem Stehgreif improvisiert und an der Grenze zwischen Unsinn und Ernsthaftigkeit ausbalanciert. Am Ende vergesse ich, ein Foto zu machen.

15:30 -18:30 Aufbruch zu den Dekogegenständen. Auf dem Weg: Gespräch mit einem Gästeführer. Foto. Fotos aus von drei lustigen Damen auf einer Bank. Verfolgung zweier älterer Damen mit schwer fremdländischem Akzent. Es stellt sich heraus, dass sie aus Unterfranken kommen. Kein Foto erlaubt.

Auf dem Weg grüßen mich die Gärtner bereits und fragen ob alles ok ist. Herr Hüssein und sein Kollege sind ohne Maschinen unterwegs und pflegen stattdessen Beete.

Interview mit dem Herrn, der die Gartenscheren verkauft. Ein Mann vom Fach. Später, viel später stellt erzählt er, dass er eigentlich Gartenarchitekt ist… „die Karriereleiter herunter gefallen“. Ich frage nicht warum. Die Gartenscheren sind super, ich kann daumendicke Äste einhändig durchschneiden und das Mikro in anderen Hand halten.

Gästeführer (links) und sein Bekannter

Gästeführer (links) und sein Bekannter

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Gegenüber verkauft ein junges Mädchen Blumenzwiebeln und diverse Dekorationsgegenstände. Sie ist Chinesin, aber in Gießen geboren, studiert Krankenhaushygiene und hat Freude an ihrem Aushilfsjob auf der LGS. Lilien sind im Moment ihre Lieblingsblumen, einen Garten hätte sie gern.

 18:55 Will Besucher beim Gießener Biozön befragen, aber es ist niemand da. Der Fluss führt Hochwasser vom Regen letzte Nacht. Ein junger Mann läuft vorbei. Das Wasser rauscht. An der Lichtkirche wird vom Pfarrer der „Regenbaum“ repariert: Eine Düse im Geäst einer Eiche versprüht zu bestimmten Zeiten Wasser. Interview. Foto.

Pflanzen sammeln: Salvia, Nicotina, Dill, Asphodele.

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19:30 Zurück im Studio. Abendpunsch. Files sichern, schneiden. Ein Pulk Besucher mit zwei Bollerwagen, in denen Sektflaschen und andere Getränke lagern gruppiert sich um den Wohnwagen. Reges Interesse. Ich höre, was ich von vielen höre: „Endlich ist mal jemand da… Sonst sind Sie ja immer weg!“ Meine Kamera geht nicht, Speicher voll. Also bitte ich die Gäste, ihre Fotos selbst zu machen und mir zu Dokumentationszwecken zu schicken.

20:00 Will hier einpacken. Der Gedanke noch, wieso morgens die Gedanken so anders sind als abends. Da war ich vertieft in „Musings“ über die Situation der Ethnografin. Was ist davon inszeniert, was davon naturgemäß gegeben? Und ist sie einsam? Aber das ist es nicht, was ich meine. Es ist entfleucht. Bis zum nächsten Morgen, oder nicht. Einpacken.

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23:52 Endlich Textidee. Wie üblich aus dem Wirrwarr der Sätze, die sich im Kopf formen, und, einmal hingetippt, plötzlich einen Gedankengang erkennen lassen. Nein, keinen Gedankengang… – eine Passage aus dem Denken heraus.