The Paradise Hour | Die Paradies-Stunde
24. August. 13-14 Uhr
Es ist klar, dass kein Wort über den Garten verloren werden kann, ohne die Idee des Paradieses mitzudenken. Datscha-Radios “Paradise Hour” kombiniert das Hörspiel von Georg Klein “Peregrinatio Paradiso” mit einem Text des Berliner Schauspielers und Autoren Matthias Scheliga und dem Hörstück “Jarman’s Garden” der britischen Radiokünstlerin Sherre Delys zu einer Stunde, die das Ohr verborgene Pfade wandeln lässt. Diesseits wie jenseits des “umzäunten Gebiets”, das so unendlich viele Fiktionen an sich bindet.
Peregrinatio Paradiso
von Georg Klein. 36:06 min.
“Paradiesvorstellungen gibt es seit alters her in allen Kulturen und sind meist mit einer Gartenphantasie verbunden. Im Zentrum des Hörstücks von Georg Klein steht nun eine alte, aber geradezu revolutionäre Paradiesgartenvorstellung: das “Goldene Zeitalter” aus Ovids Metamorphosen, gelesen von Angela Winkler im Stil einer Leseprobe, mit persönlichen Kommentaren und Deutungen. Hier wird ein Zustand beschrieben einer Gesellschaft ohne jeden Zwang, ohne jedes Gesetz, ohne Gewalt und selbst ohne jede Zurichtung gegenüber der Natur – ein Garten, der sich selbst überlassen ist, ohne ‘kultivierende’ Eingriffe, von dessen natürlichem Reichtum die Menschen leben. Und während das Paradies in der Vorstellung fast aller Religionen ein zugangskontrollierter und zudem hierarchisch strukturierter Bezirk ist, ist es bei Ovid ein Garten frei für alle, ohne jede Abgrenzung nach aussen und ohne jeden Zwang nach innen – und mit einem Menschenbewohner, der diesen paradiesischen Zustand auch respektieren kann. Eine politische Utopie, die als Rückerinnerung, als vergangenes Zeitalter erzählt wird.
Dem gegenüber treten heutige Paradiesvorstellungen von Menschen, die eine ganz andere Wahrnehmungswelt haben als die große Mehrzahl: Blinde und Taubblinde. Die Frage, was sie unter “Paradies” verstehen, führt überraschenderweise zu ähnlichen Antworten wie bei Ovid, auch wenn sie als eine wilde Vorstellung gelten: der Urwald. Insbesondere von den Menschen, die blind und taub sind (und mit denen die Interviews in sehr langwierigen Verständigungs- und Übersetzungsprozessen geführt werden mussten), ist die Ablehnung der gegenwärtigen Gesellschaft zugunsten einer Welt ohne Menschen geradezu verstörend.
Und beide Vorstellungen sagen damit mehr über unsere irdische Welt aus als über eine jenseitige, unerreichbare Paradieswelt.” (Georg Klein)
Papapara dies & das
Ein Text von Matthias Scheliga, gelesen von ihm selbst. 9:48 min,
(…) Adam ist der Gärtner seines Gartens, den er nie verloren hat, sagen die Anderen. Ein Schwerenöter und Schluckspecht. Ein Laubsauger. Ein Katzenflüsterer. Ein Akkumulator. Ein schwarzes Loch, von dessen ausgeleiertem Ereignishorizont referenzlose Informationsfetzen über den Staketenzaun wehen. Ein solipsistischer Wortverlierer. Ein Katzenquäler, der sich selbstbesoffen im Kreise dreht, bis seine ausgestreckte Hand (bei gebeugtem Arm würde die Katze eingesogen, ich weiß) sich öffnet und den Katzenschwanz der Fliehkraft überlassen muss, so dass der pelzige Wortbalg jenseits des Zaunes auf den Trottoir schlägt und in mehrere gequälte Laute zerplatzt, deren Zughörigkeit zur Hyperkatze allenfalls noch an der Fellfarbe zu erkennen ist. Eine Zatke vielleicht gewesen oder ein Zaket. Vielleicht ein Aztek. Daneben ein paar Apfelkerne. Zusammenrottungen von Bespritzten jenseits des Zauns. Gemeint Gewesene, Betroffene, Durchtränkte. Erinnernde. Koinzidenzen.
Ich glaube, Misstrauen ist an dieser Stelle vonnöten. Gegenüber den Katzenmusikern, den Cidre-Trinkern, den Kernkompetenten, den Zaungästen, Paradiesvögeln und Gartenarchitekten, den Spottgöttern und Gottspöttern und gegenüber allen ungewaschenen Zungen, die von fremden Gaumenzäpfchen Laute klöppeln, und gegenüber Ave, geborene Maria und kabbalistisches Palindrom von: … Vea, genau.
Fragen wir doch einen Stotterer. Einer der ganz großen Stotterer – Pessoa – hat gesagt: Ich bin der Zwischenraum zwischen dem, was ich bin und dem, was ich nicht bin. Ich bin zwei Abgründe – ein Brunnen, der den Himmel anstarrt. (…)
(Auszug)
Jarman’s Garden
von Sherre Delys. 14:49 min
Derek Jarman’s Garden,Prospect Cottage, Dungeness, Kent. Photograph taken by User:Jasper33 (Quelle: Wikipedia)
“At first sight, Dungeness looks an inhospitable place. On the afternoon we visited the tide was going out. There were crumbling boats, and there was red-brown metal strewn across the landscape. A mood of rusted melancholy. Later the moon came and cast a silver path across the waves.
It is here that film-maker Derek Jarman made his final home – in a bleak expanse of shingle that faces the nuclear power station in Dungeness, Kent. A fisherman’s cottage he found while searching for a bluebell wood to super-8 for his film, The Garden. Black varnished with bright yellow window frames.
He put Dungeness at right angles. Circles of flints, shells and wind-twisted wood. Sculpture from old tools, seashore-rusted metal, and other beachcombed treasures. Geometric plantings of seakale.
Derek left the garden to Keith. Keith left London and the film world he and Derek shared, and moved to Prospect Cottage to till the garden. Keith says he is held by the silence. He has become a fisherman, and goes out on the boats.
Time passing; Jarman’s love of artifice; the ordering of nature -these were some of the ideas Chris Abrahams and I discussed. A piano mimics the chime of a clock whose habitual intervals Derek modified. And what are the second, the minute, and the hour, but a painting of time? The regular rhythm of hands at the keyboard pulls against the periodic tides recorded under a Dungeness moon. And what is sound, but waves?” (Sherre Delys)
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