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9:15 Mails, Uploads, Umloads, Materialsichtung, Bildbearbeitungen, Telefon.

10:23 Ein Foto der künftigen Hörstation in der Gießener Stadtbibliothek im Posteingang. Große Freude und Dank an den Leiter, Herrn K.

10:40 Die Mutter am Telefon möchte das Wort „explizit“ buchstabiert bekommen. Die Ethnografin stammt aus eher einfachen Verhältnissen. Ein vor sich hin häkelndes, lesendes, laubsägendes, töpferndes, Katzen streichelndes Mädchen, das die Vorzüge sicherer Distanz mehr oder weniger beharrlich für sich nutzte. Aufbruch!

11:55 Ankunft LGS Lichtkirche.

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Aufnahme Glocken. Ich erdulde den musikalisch orientierten Gottesdienst. Eine Dekanin, vietnamesischer oder koreanischer Herkunft sitzt am E-Piano. Es klingt wie Elton John auf LSD mit Valium. Gute Worte der Pfarrerin, Bezug aufs Fußballspiel, die moderne Predigt, Aktualität, Gerechtigkeit, Lied, Gebet. Eine elegante, ältere Dame in Gelb schräg hinter mir.

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Im Anschluss: tolles Gespräch über den „Gießener Schlammbeisser“. Herr Meilinger macht Kostümführungen und spricht ebenso gewandt wie entspannt ins Mikrofon. Außerdem hat er das Modell der Lichtkirche, die hier als Spendenbox dient, selbst gebaut. Mehr zum Schlammbeisser ein andermal, hier reicht mir die Zeit nicht.

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14:00 Der Gästeführer vom Vortag, Herr Günther Kühnel, besucht mich in der Sendestation. Wir sprechen über Kunst.
14:23 Aufbruch Bücherei, Hörstation einrichten

16:30 Hunger. Trotzdem Botanischer Garten.

Gespräch mit charmanter Aufsichtsdame, die mich wegen meines Fahrrads anhält. Interview, Gespräch. Wir gehen auf die Suche nach dem weiblichen Ginko.Nachdem wir ihn nicht finden, in der Nähe des Blindengartens sollte „sie“ eigentlich stehen, holt Frau Rödinger ihren Kollegen zu Hilfe. Wir finden den Baum. Unterwegs streichelt Frau Rödinger einen Fenchel. Sie mag Pflanzen zum Anfassen. Auch die Mahagonikirsche gehört dazu. Zwei schnieke junge Leute, alternative Punks oder ähnlich mit Hund, werden freundlich aufgefordert, den Park zu verlassen, da keine Hunde erlaubt seien. Zwischendurch sprechen wir über das Streicheln und Besprechen von Pflanzen. Frau R. hat keinen eigenen Garten und freut sich sehr über ihren Job. Sie gibt mir ein Brötchen mit auf den Weg. Und ich schau mir noch Afrika,  Amerika und den Blindengarten an.

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17:35 Plan weiter: Architekturen und Leute auf LGS. Mail mit Isa Balzer, die den Katalog macht für uns Künstler alle. Fotos von Architekturen und Leuten. Uploads, Umloads. Mail mit Pit. Muss mich auf seltsame Server einloggen und dort „rebooten“. Klappt.

19:27 Herr Hüssein umkreist den Caravan mit seinem Rasenmäher seit gut 45 Minuten wie eine wildgewordene Hummel. Eigentlich müsste alles gemäht sein. Die Abendsonne scheint. Gutes Licht, aber das Telefon ist tot. Ich warte darauf, dass es endlich RUHIG wird, damit ich mein Getränk genießen kann. Arbeiten die jetzt doch am Englischen Rasen?

Isa meldet, dass gleich da. Hole sie ab und muss Pflanzen aus dem Quellgarten sammeln. Finde ein Exemplar Cannabis sativa. Weil meine Telefonkamera tot ist, leiht mir Isa ihre. Im Studio Gespräch über Katalog und anderes.

21 Uhr Verlassen des Geländes. Kochen beim Gastgeber, Blumenkohlgratin.

22:30-00:30 Texte, Uploads, Bildbearbeitungen.

 

 

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Foto: Isa Balzer 2014

Auch Cannabis sativa wächst auf dem Gelände der Landesgartenschau. In nächster Nachbarschaft zu einem Thalictrum delavayi (chinesische Amstelraute) stieß die Forscherin auf dieses Exemplar. Eine Probe wurde genommen, aber bislang nicht auf potentielle Wirksamkeit untersucht.

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Eine gängige, in ganz Deutschland verbreitete Form, des Guerilla-Gardening hat Eingang in den Pflanzzirkus der LGS gefunden. Zumindest vermuten wir, dass es sich darum handelt. Es könnte sich natürlich auch um ein einsames Korn hergewehtes Vogelfutter handeln. Oder um jemanden, der die Gärtner foppen wollte.

Noch eine Pflanze gab Rätsel auf. Auf meinem Weg zur Sendestation bemerkte ich im Schotter des Kies am Wegrand eine Pflanze, die ich nur als Schwarzes Bilsenkraut identifizieren konnte. Hexenkraut! Weshalb so ungünstig gepflanzt? Sicher wächst das Hyoscyamus niger gern im Schotter, doch auf einer Landesgartenschau am Weg, wo Kinder doch es abrupfen und in den Mund stecken könnten? Der regelmäßige Abstand ließ auf absichtliche Pflanzung schließen… Giftguerilla? Gärtnerische Extravaganz?

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Wahrscheinlich dieselben “Gärtner”, die die Bepflanzung unserer Installation niedermähten, taten dem Bilsenkraut ein Gleiches. Tags darauf waren die Pflanzen bis auf den Stumpf abgemäht. Der Rasen nebendran natürlich auch. Das Rätsel an sich bleibt.

 

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Den Ginkgo kennt man – irgendwie. Goethe und überhaupt, ja, einer der ältesten Bäume der Weltgeschichte. Weniger bekannt ist, dass Ginkgo biloba ein zweihäusiger Baum ist, also in einer weiblichen und einer männlichen Form existiert. Und während der männliche Baum Stolz und Zierde vieler Parkanlagen und Gärten ist, fristet das Weibchen ein Dasein meist in den Randzonen dieser Anlagen.

Der Grund dafür sind die mirabellenähnlichen Früchte des weiblichen Ginkgo, die äußerst unangenehm riechen und – steht so ein Baum allzu publik – Schreck und Entsetzen unter den Passanten und Anwohnern verbreiten.

Auch im Botanischen Garten in Gießen ist es so. Der männliche Baum steht prominent im Zentrum, sein weibliches Gegenstück steht: Wo eigentlich?

Am 13. Juni begebe ich mich mit der ehrenamtlichen Aufsicht des Gartens, Frau Rögener, auf die Suche nach dem weiblichen Ginkgo. Sie gesteht, dass sie eigentlich auch nicht weiß, wo “sie” steht: “Da hinten irgendwo… aber so genau hat noch nie jemand danach gefragt.” Wir folgen dem Pfad, der in Richtung Blindengarten führt, machen Abstecher ins Hinterland der Büsche, an Waldglockenblumen in Blau und Weiß und einer Waldlilie (Lilium martagon) vorbei. Wir finden nichts und so wird Horst hinzugezogen. Der sitzt gemächlich auf einer Bank und lässt sich seinen Leibesumfang bescheinen. Horst arbeitet seit seit seiner Verrentung vor über 15 Jahren ehrenamtlich als Aufsicht im botanischen Garten. Er steuert zielsicher auf den Baum zu, der tatsächlich am Rand des Blindengartens am Wegrand steht.

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(An dieser Stelle sollte ein Foto der Karte des Botanischen Gartens mit eingezeichnetem Standort des Baums kommen. Irrtümlich von der Forscherin gelöscht, wird es nachgetragen)

Mit Ausnahme der Blüten und Früchte sieht “sie” eigentlich genauso aus wie “er”. Trickreich ist, dass die Ginkgos eine sehr lange Zeit zur Geschlechtsreife brauchen. Bis zu 30 oder sogar 40 Jahre können verstreichen, bis sich dieses Geheimnis offenbart. Andere Namen des Ginkgo sind der “Fächerblattbaum” oder, immerhin recht schmeichelhaft, die “Silberaprikose”. Ich frage die beiden, ob sie jemals den Geruch erlebt hätten. Horst bejaht, will sich aber nicht genauer ausdrücken. Der Baum sei eine “sehr schlecht riechende Dame”. Auch Herr Laake, der technische Leiter des Botanischen Gartens, der  bereits im April auf die Existenz des weiblichen Ginkgobaums im Garten verwies, blieb lieber im Vagen. Austretende Buttersäure im Prozess des Reifens, und, noch schlimmer, im Prozess des Faulens (etwa auch, wenn Leute auf die Früchte treten), sei für den Geruch, der “wirklich unerträglich” sei, verantwortlich.

Antworten auf die Frage nach dem wahren Gestank lassen sich im Internet finden, doch da sie nicht direkt von Gießener Informanten stammen, behält sich die botanisch interessierte Ethnografin vor, im Herbst noch einmal nachzuriechen.

 

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Foto: Guido Krell

Datscharadio proudly presents: Die Hörstation in der Stadtbibliothek Gießen. Frequenz: 91,5 MHz.

Eingerichtet unter der tatkräftigen Hilfe des Bibliothekleiters Guido Krell, werden die Besucher ab Dienstag, dem 17. Juni Gelegenheit haben, in den Liegestühlen auszuspannen und Datscharadio zu hören. Auch Literaturen liegen bereit: Botanisches, Ethnografisches, Musikalisches.

UKW-Kopfhörer können bei der Anmeldung im ersten Stock gegen Pfand ausgeliehen werden. Ansonsten ist natürlich – wie weltweit – auch der Empfang über das Internet via Smartphone/Computer möglich: datscharadio.de

 

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Protokoll 11_6_2014

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7:47 Geweckt durch schwere Gewitter. Der Regen rauscht, eine Umkehrung von Duschvorhang.

10:30 Gespräch mit Herrn Goos wegen der Pflanzdemolierung am Caravan. Ersatz ist versprochen & muss dann realisiert werden. Wir bekommen ein neues Set Schlingpflanzen… evt. Ein paar Gräser…

Mails, Uploads, Fotobearbeitung. Warten auf wetransfer. Schnitt von Garteninterview mit Ehepaar Potempa. Frau Hammel vom Kassenhaus muss noch mal gefragt werden…

12:00 Warten auf wetransfer. Plan heute: Dekorationsstände auf LGS. Schaffe es nicht in die Literatur reinzulesen. Dickes Buch zum Pflanzenpressen mitgenommen. Der gelbe Ziertabak muss da rein… und einiges andere.

In Bäcker-Interview vom Kahlgrund/Spessart reingehört. Mächtiger Ortsstolz, auch schon bei der Handkäs-Dame. „Heimat“ ein wichtiges Wort hier… vielleicht auch anderswo.

Foto vom Kassenwärter I fehlt noch, der sitzt nun wohl an der Hauptkasse: Dort vorbeifahren (und anhalten). Auf dem Rechner explodieren die Dateien, wie üblich. Ein diszipliniertes Ordnungssystem fehlt.

Fichte kurz gelesen: Scharfumrissene Momente. Meint man nur, dass da mehr passiert, weil es fremder ist/in Brasilien spielt? Auf der LGS gibt es keine Transvestiten in den Büschen – nicht soweit ich beobachten könnte. Nicht mal heimlich pinkelnde Rentner. Oder ist es der Stil? Oder ist es die himmelschreiende Armut, die jede Beschreibung, jeden Dialog wie mageres Stroh durchlagert – und hier – in Hessen, Gießen, LGS, der dicke, träge, satte Lehm des mitteldeutschen Wohlstands.

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Frau H. vom Kassenhaus dagegen sagte: „Nee, ich seh nur das, was ich auf meinem Arbeitsweg von einem Eingang zum anderen seh. Wenn ich hier privat rein will, muss ich zahlen wie andere Besucher und 15 Euro sind ja nich wenig. Und nach der Arbeit… da will ich dann nach Hause.“

13:00 Auf dem Weg ein vom Sturm umgewehter Kunstleitpfosten. Im Studio. Schwätzchen mit neuem Security-Mann am Tor. Wer nicht professionell aus dem Überwachungssektor kommt, ist doch stets dankbar für eine kleine Unterhaltung. Immer wieder Fragen nach der Frequenz von Datscharadio.

13:50 Stream läuft wieder… die Nachtigall. Dachte schon, die kommt von draußen. Akustischer Fake.

Plan: Neuer Pflanzplan für Caravan… uh. Dann Dekostände, dann Editieren von Files, Fotobearbeitung, Text. Pflanzensammeln.

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14:25 Zwei Studenten des Instituts für angewandte Theaterwissenschaften auf dem Bänkchen zu Besuch. Interview. Mitte Zwanzig, die ersten Studenten zu Gast. Thea und Georg sind auf Mission, der geheime Limonadenbaum muss gepflanzt werden. Weitere Ziele der beiden: Golfspielen, Till Schweiger auf der LGS sehen und billigen Sekt trinken. Wir sprechen über Punk, DIY, Gräber, Gold, Guerilla-Performances, Rituale, Schrebergarten-Enteignungen, Stadtpolitik und noch 50 Sachen mehr. Scharfsinn und Albernheit halten sich die Waage. Inhalte werden aus dem Stehgreif improvisiert und an der Grenze zwischen Unsinn und Ernsthaftigkeit ausbalanciert. Am Ende vergesse ich, ein Foto zu machen.

15:30 -18:30 Aufbruch zu den Dekogegenständen. Auf dem Weg: Gespräch mit einem Gästeführer. Foto. Fotos aus von drei lustigen Damen auf einer Bank. Verfolgung zweier älterer Damen mit schwer fremdländischem Akzent. Es stellt sich heraus, dass sie aus Unterfranken kommen. Kein Foto erlaubt.

Auf dem Weg grüßen mich die Gärtner bereits und fragen ob alles ok ist. Herr Hüssein und sein Kollege sind ohne Maschinen unterwegs und pflegen stattdessen Beete.

Interview mit dem Herrn, der die Gartenscheren verkauft. Ein Mann vom Fach. Später, viel später stellt erzählt er, dass er eigentlich Gartenarchitekt ist… „die Karriereleiter herunter gefallen“. Ich frage nicht warum. Die Gartenscheren sind super, ich kann daumendicke Äste einhändig durchschneiden und das Mikro in anderen Hand halten.

Gästeführer (links) und sein Bekannter

Gästeführer (links) und sein Bekannter

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Gegenüber verkauft ein junges Mädchen Blumenzwiebeln und diverse Dekorationsgegenstände. Sie ist Chinesin, aber in Gießen geboren, studiert Krankenhaushygiene und hat Freude an ihrem Aushilfsjob auf der LGS. Lilien sind im Moment ihre Lieblingsblumen, einen Garten hätte sie gern.

 18:55 Will Besucher beim Gießener Biozön befragen, aber es ist niemand da. Der Fluss führt Hochwasser vom Regen letzte Nacht. Ein junger Mann läuft vorbei. Das Wasser rauscht. An der Lichtkirche wird vom Pfarrer der „Regenbaum“ repariert: Eine Düse im Geäst einer Eiche versprüht zu bestimmten Zeiten Wasser. Interview. Foto.

Pflanzen sammeln: Salvia, Nicotina, Dill, Asphodele.

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19:30 Zurück im Studio. Abendpunsch. Files sichern, schneiden. Ein Pulk Besucher mit zwei Bollerwagen, in denen Sektflaschen und andere Getränke lagern gruppiert sich um den Wohnwagen. Reges Interesse. Ich höre, was ich von vielen höre: „Endlich ist mal jemand da… Sonst sind Sie ja immer weg!“ Meine Kamera geht nicht, Speicher voll. Also bitte ich die Gäste, ihre Fotos selbst zu machen und mir zu Dokumentationszwecken zu schicken.

20:00 Will hier einpacken. Der Gedanke noch, wieso morgens die Gedanken so anders sind als abends. Da war ich vertieft in „Musings“ über die Situation der Ethnografin. Was ist davon inszeniert, was davon naturgemäß gegeben? Und ist sie einsam? Aber das ist es nicht, was ich meine. Es ist entfleucht. Bis zum nächsten Morgen, oder nicht. Einpacken.

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23:52 Endlich Textidee. Wie üblich aus dem Wirrwarr der Sätze, die sich im Kopf formen, und, einmal hingetippt, plötzlich einen Gedankengang erkennen lassen. Nein, keinen Gedankengang… – eine Passage aus dem Denken heraus.

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8:15 Schlafmangel. Mails. Uploads, Sichtungen Material. Fotobearbeitung. Check Farben/Belichtung, Scharfzeichnen, Sichern, Version fürs Web.

13:00 Aufbruch zum Bahnhof. Besuch im Heimatdorf Fechenheim/Frankfurt steht an. Und: Gartenexkursion Enkheimer Straße im Stadtteil Bornheim

14:25 Wegbeschreibung_SMS  für den Garten:

„Eulenweg hoch, dann die Enkheimer Str.. Letzter Garten links vor der Autobahnbrücke.“

19:20 Orientierung über die Karte auf dem Smartphone. Fachwerkhäuser in Alt-Bornheim. Links schwere Tasche, rechts schwere Tasche (Getränke und Grillgut). Dann die Enkheimer Straße. Falsches Schuhwerk. Häuser und Vorgärten weichen einem Schrebergelände. Jogger, Radfahrer, keine Fußgänger. In der Luft liegt das stete Brausen und Rumpeln der Autobahn, deren Trasse den Horizont auf halber Höhe schneidet. Im Himmel darüber kreuzen Flugzeuge, von fern eine Ringeltaube. Ich laufe nun barfuß.

Die Gartentore links sind überhangen von Brombeerbüschen, dahinter sieht es schattig aus und still. Rechts eine 2m hohe Hecke, hinter der ein Bananenhain liegt… Was sonst sollte man eigentlich in einer mittelhessischen Gartenkolonie erwarten. Foto.

19:35 Niemand und nichts in Sicht. Ratlose Telefonate. Welches ist der richtige Garten?

19:45 Treffe die Gärtnerin, Problem gelöst. Von der kiesigen Brache unter den mit Graffiti verzierten Brückenpfeilers führt links ein weiterer Weg ab. Und dort ist es dann. Ein Schattengarten. Funkien, Fingerhut. Mehr Gäste kommen, Grill, Wein.

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22:00 Aufbruch Richtung Gießen. Der Mond steht diesig im Osten. Der Zug ist voll.

23:34 Gießen im Fussballfieber. Kneipe am Eck hat Leinwand aufgebaut. Ich hole mir ein Bier und schaue die letzten 20 min. Brasilien-Kroatien. Jungvolk. Neben mir ein älterer Herr mit schwarzer Hautfarbe, der das Spiel ernsthaft verfolgt. Nach dem Abpfiff allgemeiner Aufbruch.

0:00 letztes Posting auf dem Blog.

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Wetter: Sonnig, 29 Grad, windstill.

Unwetterwarnung für den Nachmittag: Erhöhtes Risiko für örtlich STARKE GEWITTER, an denen es zu STARKREGEN um 15 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit, kleinkörnigem HAGEL und STURMBÖEN um 80 km/h kommen kann. Vereinzelt sind Unwetter durch SCHWERE GEWITTER mit HEFTIGEM STARKREGEN um 30 Liter pro Quadratmeter in kurzer Zeit, HAGEL mit Korndurchmessern um 4 cm und SCHWEREN STURMBÖEN um 100 km/h möglich.

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10:00 Uploads, Mails, Telefon, Gespräch Bücherei und Mobile Albania. Mögliche Interviewtermine werden gesucht.

12:00 Ankunft des Postboten. Endlich Hubert Fichtes “Petersilie”! und weitere Fachliteratur.

14: 02 Zusammentreffen mit dem stellvertretenden Geschäftsführer der Landesgartenschau auf dem Gelände. Auf die Frage, was er zu der Demolierung der Sendestation zu sagen hat, hebt er die Hände und sagt, er “halte sich aus allem heraus” – mit Verweis auf den leitenden Geschäftführer und den Gärtnerchef. Eine durchaus konventionelle Methode der Problemverdrängung. Kein Wort der Entschuldigung oder auch nur des Bedauerns.

Nach dem Besucherstrom der Pfingstfeiertage liegt der Rasen nahezu verlassen in der Sonne. Nur vereinzelt kommen Besucher vorbei. Das Radio der Schrebergärtner hinter der Hecke ist deutlich zu hören.

Gegen 15:00 tuckert ein Rasentraktor auf einen Meter an den Caravan heran. Die gärtnerische Leitung unter Herrn Goos hat einen Abgesandten geschickt, der den Schaden vor Ort begutachten soll. Herr Braune besieht sich das Desaster und, soweit er kann, erklärt er es – in mittelbreitem Sächsisch:

“Also, das kann nur gekommen sein, weil diese Wiese hier, da sind ja Blumenzwiebeln drin… und diese Wiesen sollten dieses Wochenende abgemäht werden. Aber das hier (schaut auf tote Clematis)… und der Eimer… total kaputt. Nee, des kann ich och nicht erklären. Da muss ich mich entschuldigen, des tut mir leid.”

Auf die Frage, ob er gewusst hätte, dass 2 Meter um den Caravan herum nicht gemäht werden sollte: “Nee, das nicht.”

Herr Braune macht noch einige Vorschläge von gärtnerischer Seite und ist allgemein sehr aufmerksam und freundlich. Er kommt ursprünglich aus Thüringen, wo er eine eigene Gartenbaufirma hat. Auf der Landesgartenschau übernimmt er für ein halbes Jahr die AUfsicht über die gärtnerischen Pflegearbeiten. Ich machte ein Foto von ihm und dem Rasenauto und denke mir, mal sehen, was noch passiert.

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15:30 Ein Ausflug zur Kleingartenkolonie ist geplant. Wasserflasche, Aufnahmegerät, Kamera. Ein übergewichtiger Mann in hellgelben T-Shirt und verschwindend dünne Begleitung schlendern eilig vorbei. Der Ventilator surrt, aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht von fern schon Donnergrollen zu vernehmen ist. Die Befestigungsleinen der Antenne flattern in einer aufkommenden Brise. Bei dem Versuch, sie anzuziehen: Ein weiteres Zeugnis des Amtlichen Vandalismus:

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16:28 Endlich Aufbruch.

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18:53 Rückkehr zur Station. Interviews/Kurz-Gespräche mit

  • der Dame an den Toiletten, ursprünglich aus Litauen.
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  • den Gestaltern der Floristenhalle
  • zwei Gärtnern der Kolonie “Freizeit und Erholung”
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  • ein gescheitertes Gespräch mit dem Chef der Gartenkolonie, Herrn Gräf. Eine Tischrunde bei dem Eigentümer desselben Gartens, dessen Radio wir hier immer mithören. Eine bis zum Rand mit Misstrauen angefüllte Situation. An Fotografieren war nicht zu denken.
  • einem gastfreundlichen Ehepaar der Kolonie “Freizeit und Erholung”, das ausdrücklich nicht fotografiert werden wollte. Ursprünglich aus Schlesien, haben Herr und Frau Potempa ihren Garten seit 15 Jahren hier. Es enspann sich ein Gespräch über ihr Leben, gefolgt von einer Führung durch den Garten.
  • der Kassendame am Schalter “Quellgarten”, Frau Hammel. Mutter von 4, Großmutter von 5 Kindern, gelernte Zahntechnikerin, Scheidung, Schlaganfall und andere Unbillen wurden gemeistert. Am liebsten arbeitet sie im Kassenhaus am Haupteingang, da sei mehr los. Nun macht sie sich weniger Stress und dann, nach der Gartenschau, kommt “was eben so kommt”.
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Wetter: Sonnig, 36 – 40 Grad. Feuchtheiß. Kein Wind.

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11:00 Klein-Kahl gehört mit Schöllkrippen und Edelbach zum Kreis Aschaffenburg und hat eine Einwohnerzahl von etwa 400. Der Kahlgrund an sich ist eine Landschaft im nordwestlichen Spessart in Bayern und Hessen in Deutschland. Die Distanz zu Gießen beträgt knapp 100 km. Wir fahren durch weitgehend flache Agrarlandschaften bis am Ende der Reise die bewaldeten Höhenzüge des Spessarts sich aus dem Dunst lösen.

12:00 Ankunft in Klein-Kahl. Das Handkäsfest ist bereits am Ortseingang ausgeschildert. Eine Kiesstraße führt zum Festgelände: Bierbänke und Tische, ein großes Zelt mit weiteren Tischen und Bänken und einem Küchenbereich im vorderen Teil. HIer befinden sich eine Kasse, an der zunächst für den Handkäs gezahlt wird. Man bekommt eine Quittung für den Handkäs (4,80 Euro) und für den Teller/Brettchen-Pfand (2,50 Euro). Hinten im Zelt spielt eine Zweimannband in Lederhosen, Besetzung Gitarre, Akkordeon plus Playback, moderne Volkslieder mit teils anzüglichen Texten. Die Verquickung von Romantik und Sexuellem geht friedliche Wege: “Und wenn es dann passiert, schlaf ich in deinen Armen ein”. Es ist laut und weil es auch nicht regnet, sitzen die meisten Gäste draußen.

Das Handkäsfest ist traditionellerweise immer an Pfingsten und dauert 3 Tage. Unser Informant ist bereits “ein bisschen durch”.

Angeboten wird nebem dem Handkäs selbst gebackener Kuchen, regionaler Honig und das Brot aus dem Original-Lehmbackofen des Herrn Stengl. Und Apfelwein im Bembel, selbstverständlich.

12:40 Interview mit Frau Grass, die die Tradition des Festes im Namen ihres Vaters weiterführt. Das Fest besteht seit 22 Jahren, 95 % der Gäste kommen aus dem Umkreis und werden “auch schon mit Handschlag begrüßt”. Wir sprechen über die Herstellung des Handkäs’ und über die Bedeutung regionaler Produkte.

13:05 Interview mit Bernd Stengel, dem Bäckermeister, der für die zweitwichtigste Spezialität der Region verantwortlich ist: Das “Holzhackerbrot” aus reinem Roggennatursauerteig. Den Lehmofen hat er selbst gebaut, und auch das Holz für die Befeuerung wurde anfangs noch von ihm selbst gehackt. Mit seinen Produkten ist er auf drei Wochenmärkten, darunter auch der Wochenmarkt in Offenbach/Main, unterwegs. Auf die Frage nach einem Foto reagiert er professionell: Ein Brot wird aus dem Auto geholt, auf die Schaufel platziert und der Mann stellt sich in Positur.

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–> Die Original-Interviews werden auf dem Stream noch bereit gestellt.

14:00 auf dem Rückweg zum Haus des Informanten: Gartendekorationen. Im Falle des Vorgartens am Ortseingang Edelbach sind Pflanze und Dekoration nicht mehr klar unterscheidbar. Die beiden scheinen auf eine tautologische Art miteinander vertauscht. Eigenwillig auch: Spielzeugautos als Ausschmückung in Nähe der Gartenpforte bei einem anderen Garten. Kontrastierend: der Künstlergarten unseres Gastgebers mit selbst geschnitzter Skulptur in Verwilderung.  Figur und Gegenstand im Bild – ein Kajak – sind nicht inszeniert, sondern einfach “so gelassen worden”. Aspekte von Zeit und Verwitterung kommen ins Spiel, die gerade kein ständiges “Update” des Status quo verlangen.

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19:40 Entlang der E41, im Nirgendwo zwischen Daxberg, Schöllkrippen, Mömbris: Überraschende Pflanzarchitekturen einer dysfunktionalen Feuerwehrzufahrt (?) oder Sackgasse ins Land. Angesiedelt hat sich vorwiegend wilde Kamille.

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21:00 Speichern der Files, Editieren, Foto-Uploads. Mails.

Ca. 23 Uhr: Wolkenbruch. Ton-Aufnahme  Regen im Hof. Im Abziehen des Gewitters noch Wetterleuchten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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